“Wir sehen Dinge nicht wie sie sind, wir sehen diese so wie WIR sind.” (Anais Nin, 1961)
„Männer sind bessere Führungskräfte als Frauen“, „Die ausländischen Mitarbeiter sind fauler als die deutschen“ oder „Menschen mit Behinderung sind nicht belastbar genug für den Job“. Kennen Sie solche Aussagen oder haben Sie sich selbst schon einmal dabei erwischt, wie sie verallgemeinernde Aussagen über Personengruppen getroffen haben? Dann lesen Sie weiter, um zu erfahren, welche Funktion Vorurteile haben und wie Sie damit am besten umgehen können.
Vorurteile erleichtern das Leben, bergen aber Probleme
Objektiv gesehen kann niemand Vorurteile (d. h. generalisierende positive oder negative Bewertungen von Personengruppen) komplett vermeiden. Sie helfen uns im Alltag unsere Umwelt zu strukturieren, schneller Personen einzuschätzen und unser Verhalten ihnen gegenüber entsprechend anzupassen. Wir müssen also nicht bei jedem Personenkontakt, die Rolle einer Forscherin oder eines Forschers einnehmen, um über einen langwierigen Prozess herauszufinden, wie man sich der Person gegenüber verhalten sollte. Problematisch werden Vorurteile allerdings dann, wenn sie zu Diskriminierung am Arbeitsplatz führen, Kompetenzen verkannt werden oder Verhaltensweisen missverstanden werden. Studien zeigen beispielsweise, dass Bewerberinnen oder Bewerber mit einem Namen türkischer Herkunft seltener Einladungen zu Bewerbungsgesprächen bekommen als Personen mit einem Namen deutscher Herkunft, trotz gleicher Qualifikationen. Doch inwieweit treten Vorurteile am Arbeitsplatz auf? Und was gedenken die Unternehmen dagegen zu tun? Wie kann ich mir selbst meiner Vorurteile bewusster werden und versuchen ihren Einfluss auf mein eigenes Handeln zu reduzieren?
Unbewusste Vorurteile am Arbeitsplatz – Ein Fall für das Diversity Management
Alle 14 DAX-Unternehmen, die an einem Benchmarking teilnahmen, gaben an, unbewusste Vorurteile (sog. Unconscious Bias) in ihrem Unternehmen zu beobachten. Zudem zeigten 11 Unternehmen Bestrebungen, die negativen Folgen dieser unbewussten Vorurteile verringern zu wollen. Eine beliebte Maßnahme dafür sind Diversity-Trainings, die sich explizit dem Thema widmen; auch als Anti-Bias Trainings oder Managing Unconscious Bias bekannt. In diesen Trainings liegt der Fokus nicht auf einer spezifischen Diskriminierungsform (z. B. Geschlecht), sondern die Funktionsweisen und Mechanismen von Diskriminierung werden herausgearbeitet. Dadurch lernen Führungskräfte und Mitarbeitende eigene Vorurteile zu erkennen und zu reflektieren, wie sie sich im Arbeitsalltag auswirken. Folglich werden Entscheidungen im Arbeitsalltag (z. B. eine neue Stellenbesetzung) weniger durch Vorurteile beeinflusst.
Wozu Diversity bzw. Vielfalt im Un
ternehmen fördern?
Neben dem Image der Unternehmen, profitieren auch andere Bereiche von einem Diversity-Ansatz, der versucht, unbewusste Vorurteile aufzudecken. Studien konnten zeigen, dass Unternehmen, die die Vielfalt ihrer Belegschaft fördern, kreativer, leistungsfähiger und innovativer sind. Zudem gewährleistet Diversity, dass die Ressourcen von Mitarbeitenden optimal ausgenutzt werden und man ihnen nicht fälschlicherweise zu wenig zutraut. Weiterhin gilt es zu bedenken, dass Diskriminierung am Arbeitsplatz Kosten verursacht, sei es durch den Ausfall von Mitarbeitenden durch psychische Fehlbeanspruchungen oder eine erhöhte Fluktuation. Zuletzt ist es heutzutage und in der Zukunft unerlässlich auf die demographischen Entwicklungen – wie z. B. eine durchschnittlich ältere Bevölkerung und eine Zunahme von ausländischen Mitarbeitenden – mit einem gut durchdachten Diversity-Management zu reagieren.
Was kann ich im Praxisalltag tun?
- Wenn Sie jemanden neu kennenlernen, reflektieren Sie welchen Eindruck die Person auf Sie macht; entweder schriftlich oder in Gedanken. Überprüfen Sie dann, ob Ihr Eindruck von der Person durch unbewusste Vorurteile beeinflusst wurde (z. B. aufgrund des Aussehens, der Gestik, Sprache oder Mimik der Person). Hat die Person intensive Reaktionen in Ihnen ausgelöst? Falls ja, können Sie sich Ihre Reaktionen erklären? Versuchen Sie mit einem objektiven Blick eines Forschers / einer Forscherin an Ihre Reaktionen heranzutreten.
- Motivieren Sie andere Personen aktiv, unbewusste Vorurteile zu benennen, wenn sie in Gesprächen oder dem Arbeitsalltag auftreten. Sie können dabei den ersten Schritt gehen und auf Vorurteile hinweisen, wenn Sie ihnen bewusstwerden. Das Resultat kann eine vorurteilssensiblere Arbeitsumgebung sein.
- Setzen Sie sich als Führungskraft bei der Personalauswahl im Vorhinein objektive Kriterien, die potentielle Bewerberinnen oder Bewerber erfüllen sollten, um zu vermeiden, dass Sie intuitive und vorurteilsbehaftete Entscheidungen fällen. Wählen Sie zudem die Zeitspanne zwischen dem Bewerbungsgespräch und der Auswahl der Person nicht zu lang, da Erinnerungslücken oft anhand von Stereotypen ausgefüllt werden.
- Bevor Sie als Führungskraft eine Personalentscheidung treffen, sollten Sie bewusst in sich gehen (z. B. können Sie innerlich laut „Stopp“ sagen), vor allem, wenn Sie gerade in einer stressigen Situation sind. Diesen bewussten Moment können Sie nutzen, um Ihre Entscheidungen aus einem anderen Blickwinkel erneut zu beleuchten und auf Vorurteile zu überprüfen.
- Etablieren Sie Regeln und Normen für Sitzungen und die Kommunikation im Arbeitsalltag. Somit kann gewährleistet werden, dass alle Stimmen gehört werden und diejenigen vorzeitig unterbrochen werden, die andere unterbrechen. Die Rollen der Moderation, der Protokollantin / des Protokollanten etc. kann dabei von Sitzung zu Sitzung rotieren, damit nicht immer die gleichen Personen die Aufgaben übernehmen.
- Stellen Sie öfters Fragen anstatt Annahmen zu machen, d. h. urteilen Sie nicht vorschnell wie eine Person ist oder was ihre Meinung ist, sondern fragen Sie aktiv bei der Person nach.
- Achten Sie darauf, wem Sie Erfolge zuschreiben und worauf Sie die Erfolge begründet sehen. Es kann vorkommen, dass Personen, die den Erfolg gebracht haben, nicht gewürdigt werden, sondern der Erfolg einer anderen Person zugeschrieben wird. Zudem kann es sein, dass die Erfolge von Personen der Minderheitsgruppe (z. B. Frauen in Führungspositionen) eher externen Ursachen zugeschrieben wird (z. B. der Erfolg basierte auf Glück oder der Hilfe von anderen Personen), während Erfolge der Mehrheitsgruppe (z. B. Männer) eher internen Ursachen zugeschrieben werden (z. B. der Erfolg basiert auf der hohen Kompetenz der Person). Achten Sie also darauf, dass Sie Erfolge von Personen aus Minderheitsgruppen entsprechend wertschätzen und auf deren Person beziehen und statt auf andere Faktoren.
Wie kann ich mir eigener Vorurteile bewusst werden?
Eine wissenschaftlich fundierte Methode dazu bietet der sogenannte Implizite Assoziationstest (IAT). Der IAT ist im Netz verfügbar und Sie können ihn kostenlos durchführen (s. untenstehender Link). Der Test misst die Stärke der Assoziationen, die wir zwischen bestimmten Personengruppen (z. B. Alter, Rasse oder Sexualität) und bestimmten Eigenschaften haben. Die Stärke der Assoziationen sagt nichts zwangsläufig etwas darüber aus, inwiefern Sie sich diskriminierend in ihrem Alltag verhalten. Aber die Stärke der Assoziation kann eine Einladung sein, beim Kontakt mit bestimmten Personengruppen, die Sie eher mit bestimmten Eigenschaften assoziieren, sensibler und reflektierter in Bezug auf Ihr eigenes Verhalten und Ihre Gedanken aufzutreten. Die Ergebnisse können Ihnen helfen, sich bewusst zu machen, wodurch Ihre Entscheidungsfindungsprozesse womöglich unbewusst beeinflusst werden und in welchen Bereichen Sie dem beim nächsten Mal bewusst entgegenwirken können. Wenn Sie sich nicht sicher sind, was Ihre Ergebnisse genau bedeuten, lesen Sie die Verständnis- und Interpretationshilfe auf der IAT-Website (s. untenstehender Link) oder die Frequently Asked Questions (FAQ).
IAT durchführen:
IAT Ergebnisse richtig verstehen und interpretieren:
- https://implicit.harvard.edu/implicit/germany/background/understanding.htm