In deutschen Firmen ist sie laut einer Umfrage so verbreitet wie die Überstunden: sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet diese ausdrücklich. Laut Umfragen allerdings hat mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in Deutschland sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz schon einmal erlebt oder beobachtet. Was kann man in so einem Fall tun?
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hat bei einer Umfrage aus 2015 (siehe Link) unter 1000 Befragten herausgefunden, dass jeder zweite Beschäftigte unangebrachte Witze zu hören bekommt, unsittliche Berührungen ertragen oder im Büro den Anblick aufreizender Bilder dulden muss. Wie kann es sein, dass dieses Problem bereits zum Alltag dazu gehört? Dazu ein paar Zahlen:
- 81% wissen nicht, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, ihre Arbeitnehmer aktiv vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen.
- Sogar mehr als 70% kennen zu dem Thema auch keine Ansprechperson in ihrem Betrieb.
- Nur 1% der Befragten gibt an, dass das Problem in der Ausbildung behandelt worden sei.
Wann spricht man eigentlich von sexueller Belästigung?
Laut AGG handelt es sich dabei um sexuell bestimmtes Verhalten, das die Würde der betroffenen Person verletzt. Im Klartext also: Alle unerwünschten Annäherungen fallen darunter, die sexueller Natur sind und sich an eine bestimmte Person richten, d.h. körperliche als auch verbale „Anspielungen“ (schlüpfrige Bemerkungen und zweideutige Kommentare) oder gar konkrete Handlungen. Das Berühren von Kolleginnen oder Kollegen fällt beispielsweise darunter, als auch sogenannte „Herrenwitze“ oder Nacktkalender am Schreibtisch. Allerdings werden verbale Formen sexueller Belästigung am häufigsten erlebt.
Wer sind die Übeltäter?
Sowohl Männer als auch Frauen beobachten und erleben am meisten Belästigungen durch Männer. Es trifft also nicht ausschließlich, aber überwiegend Frauen. Dabei ist anzunehmen, dass oft der Chef die Untergebenen bedrängt. Allerdings sind es in vielen Fällen die eigenen Kollegen: 65% der belästigten Frauen und mehr als 80% der Männer geben an, die Täter seien Mitarbeiter auf derselben Hierarchiestufe. Frauen werden jedoch im Vergleich zu Männern häufiger durch Vorgesetzte belästigt.
Wo kommt es zu sexuellen Belästigungen?
Zwar kann man heutzutage mit dem Smartphone vieles anstellen und darunter gehören auch Formen der sexuellen Belästigungen, doch finden sie überwiegend im Büro oder bei gesellschaftlichen Veranstaltungen statt. Persönliche Begegnungen wie z.B. bei Weihnachtsfeiern oder Sommerfesten, also auch im Alltag im Fahrstuhl, im Flur oder in der Kantine. Man möchte daher meinen, nirgends mehr sicher zu sein.
Was macht man gegen belästigende Kunden oder Patienten?
Sexuelle Belästigungen können auch durch Kunden oder Patienten verursacht werden. Dies stellt gewisser Weise ein neues Problem dar, da kein eigener Kollege/Vorgesetzter beteiligt ist, sondern eine dritte Person. Wie verhält man sich beispielsweise als Pflegekraft, wenn der Patient sich „ausversehen“ daneben verhält? Es gilt auch in diesen Fällen, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, seine Angestellten vor solchen Übergriffen zu schützen. Man kann jedoch auch erstmal die belästigende Person zur Rede stellen und Belästigungen sofort energisch zurückweisen. Falls diese Anweisung ignoriert wird, sollte man Kollegen und Kolleginnen von der „Problemperson“ erzählen und auf diese aufmerksam machen. Wenn das alles nichts bringen sollte, wendet man sich am besten bei der Leitung.
Wie kann man sich dagegen wehren?
Es ist wichtig einem anderen Kollegen von dem Vorfall zu berichten. Falls nämlich keine handfesten Beweise der sexuellen Belästigung vorliegen, wie z.B. elektronische Nachrichten, wird es schwierig den Vorwurf zu belegen. Wenn es für die Belästigung keinen Zeugen gibt, steht Aussage gegen Aussage. Der Arbeitgeber kann Mitarbeiter nicht auf Verdacht abmahnen. Und wenn man sich nicht traut, mit dem Problem zum Chef zu gehen, obwohl dieser gesetzlich verpflichtet ist der Sache nachzugehen, dann kann man sich auch unentgeltlich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden (siehe Link).
Leiterin Christina Lüders fasst es selber so zusammen: „Die wenigen, die sich zu diesem Schritt (den Vorfall zu melden) trotz allem durchringen, leisten Pionierarbeit für viele andere Frauen“.
Unter diesen Umständen heißt es also: Reden ist gold und schweigen ist silber!