„Ein guter Mitarbeiter ist jemand, der keine Fehler macht“? Von wegen! „Aus Fehlern lernt man“ ist längst nicht nur eine Floskel, sondern eine arbeitspsychologische Weisheit und ein Erfolgsrezept! Fehler sind tatsächlich notwendig zum Lernen. Welche Bedingungen aber notwendig sind, damit Fehler nicht zur Katastrophe sondern zur Chance werden, erfahren Sie in unserem heutigen Artikel.
Von Unkonzentriertheit bis Unwissenheit
Wie kommt es eigentlich zu Fehlern? Fehler können auf verschiedenen Ebenen im Handlungsprozess entstehen. Demnach unterscheidet man drei Typen von Fehlern: fertigkeits-, regel- und wissensbasierte Fehler.
Fertigkeitsbasierte Fehler sind Fehler, die z.B. aus der Gewohnheit heraus entstehen. Ist es Ihnen auch schon mal passiert, dass Sie in den Keller gehen wollten, um etwas zu holen, unten angekommen, aber nicht mehr wussten, was? Die Planung der Handlung ist korrekt, allerdings ist die Ausführung fehlerhaft.
Regelbasierte Fehler sind Verwechslungs- oder Erkennungsfehler. Hierbei wird die Situation entweder falsch eingeordnet oder Hinweise und Rückmeldungen werden falsch verstanden. Ein Beispiel hierfür wäre es, wenn ein Fahranfänger ein Vorfahrtsschild mit dem Schild „Vorfahrt gewähren“ verwechselt und dementsprechend einem anderen Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt nimmt. Die Planung der Handlung ist fehlerhaft, aber die Ausführung erfolgt korrekt.
Wissensbasierte Fehler sind Denk- und Urteilsfehler, die häufig bei komplexeren Aufgaben passieren. Hier reicht das bestehende Wissen nicht aus, um die Aufgabe korrekt zu lösen oder wichtige Aspekte sind nicht bekannt oder werden vernachlässigt. Ein Beispiel wäre eine Fehldiagnose beim Arzt. Außerdem gehören bewusste oder unbewusste Regelverletzungen in diese Kategorie, beispielsweise das Überfahren einer roten Ampel.
Nehmen Sie Fehlern den Wind aus den Segeln
Selbst wenn man aus Fehlern lernen kann, so sind diese doch meist unerwünscht, da sie häufig negative Folgen nach sich ziehen oder gar zur Gefahr werden können.
Mut zu Fehlern ist natürlich nur möglich, wenn Fehler gemacht werden dürfen, d.h. nicht gleich zu Unfällen oder großen Katastrophe führen. Es wäre fatal, wenn eine kleine Unaufmerksamkeit eines Arbeiters im Atomkraftwerk zur großen Explosion führen würde. Fehler müssen daher möglichst früh bemerkt werden und mit möglichst geringem Aufwand korrigierbar sein.
Schutzmaßnahmen und Fehlertoleranz
Technische Systeme mit früher Rückmeldung, Verhinderung der Fehlerausbreitung und Möglichkeiten zur einfachen Korrektur nennt man fehlertolerante Systeme. Ein bekanntes Beispiel aus dem Alltag ist eine Software, die vor dem Schließen des Programms fragt, ob man das Dokument speichern möchte oder ein Geldautomat, der zunächst die Geldkarte zurückgibt bevor das Geld ausgegeben wird und bei dem zusätzlich nach wenigen Sekunden ein Warnsignal ertönt, wenn das Geld nicht aus dem Automaten entnommen wird.
Neben technischen Sicherheitseinrichtungen sind auch organisatorische Sicherheitsregelungen im Unternehmen wichtig. Hierzu zählen z.B. Vorschriften zu den Arbeitsabläufen und zum Arbeitsschutz, wie z.B. Helmpflicht und Kontrollschleifen. Außerdem sollten die Mitarbeiter fachlich und bezüglich der Sicherheit gut ausgebildet sein und regelmäßig geschult werden. Durch Zusammenwirken dieser drei Komponenten (Technik, Sicherheitsvorschriften, ausbildungsbezogene Maßnahmen) sollen schwere Unfälle und Katastrophen möglichst vermieden werden, denn ein Ausfallen aller drei Komponenten zur selben Zeit ist recht unwahrscheinlich.
Let’s do it the safe way: Sicherheitskultur im Unternehmen
Wichtig, um gefährliche Fehler zu vermeiden und einen optimalen Umgang mit Fehlern zu erlangen, ist außerdem eine gute Sicherheitskultur in Unternehmen. Unter Sicherheitskultur versteht man die Überzeugungen und Normen der Mitglieder einer Organisation, die sich im Umgang mit Gefahren im Unternehmen äußern. Beispielsweise wäre es sehr negativ, wenn das Tragen des Schutzhelmes unter den Arbeitern eines Bauunternehmens als übertrieben gilt und Helmträger als „Spießer“ abgestempelt werden. Wenn eine positive Sicherheitskultur im Unternehmen herrscht, so würde das Tragen des Helmes vielmehr selbstverständlich sein und abweichendes Verhalten würde zur Zurechtweisung durch andere Mitarbeiter führen. Das Einhalten von Sicherheitsvorschriften ist manchmal unbequem und umständlich. Umso wichtiger ist es, dass die Vorschriften von allen Mitarbeitern verstanden und akzeptiert werden und Sicherheitsverhalten von Mitarbeitern wie Führungskräften aktiv vorgelebt wird.
Um eine gute Sicherheitskultur im Unternehmen zu schaffen, sind vier Komponenten wichtig:
Berichtskultur: Es ist wichtig, dass sicherheitsrelevante Vorfälle stets gemeldet werden und nicht verschwiegen werden. Auch Risiken, eigene Fehler und Beinaheunfälle sollten berichtet werden. Damit dies möglich wird, sollten berichtete Fehlhandlungen falls möglich nicht bestrafen werden, die Berichte sollten gesammelt und systematisch ausgewertet werden, es muss vertraulich mit den Berichten umgegangen werden und die Weitergabe der Informationen sollte möglichst unkompliziert erfolgen.
Gerechte Vertrauenskultur: Es muss transparent und klar nachvollziehbar sein, welches Verhalten bestraft wird und welches nicht (beispielsweise kann Fehlverhalten wegen Alkoholeinflusses nicht akzeptiert werden). Den Mitarbeitern muss aber klar sein, dass Fehler nicht sanktioniert werden, wenn sie nicht vorsätzlich oder leichtfertig begangen wurden und nicht gegen Gesetze verstoßen.
Flexible Kultur: Bei Gefahrensituationen muss sich das Unternehmen flexibel verhalten können. Beispielsweise sollten dann Entscheidungen nicht mehr hierarchisch gefällt werden, sondern der Experte übernimmt die Führung.
Lernkultur: Unter Lernkultur versteht man die Bereitschaft und Fähigkeit, die richtigen Schlussfolgerungen aus sicherheitsrelevanten Informationen zu ziehen und notwendige Reformen und Maßnahmen umzusetzen. Alle Ebenen der Organisation müssen lernbereit sein und sowohl die Führung als auch die Mitarbeiter sollten das eigene Verhalten reflektieren, Fehler erkennen und für Veränderung offen sein.
Fehler als Anstoß für Lernen und Veränderung
Wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass Fehler zu schweren Unfällen oder Verlusten führen, so können Ängste reduziert werden und Fehler können als Chance wahrgenommen werden. Notwendig hierzu ist es, Fehlverhalten systematisch zu analysieren, die Ursachen zu erkennen und Ideen zu entwickeln, wie Fehler in Zukunft vermieden werden können. Der einzelne Mitarbeiter kann für sich lernen, wie er seine Aufgaben in Zukunft besser lösen kann, denn Fehler sind eine Notwendigkeit zum Lernen. Die Abteilung oder das Unternehmen kann Möglichkeiten finden, wie Arbeitsprozesse und Technik optimiert werden können, um Probleme zukünftig zu vermeiden.
Schließlich können Fehler auch zu Innovationen führen, wie folgende Anekdote zeigt:
1958 wollte der Elektroingenieur Wilson Greatbatch angeblich ein Gerät zur Messung von Herzfrequenzen entwickeln. Allerdings baute er einen falschen Widerstand in den Schaltkreis ein, dieser war ca. 100mal stärker als beabsichtigt. Die Grundlage für den ersten Herzschrittmacher war gefunden.
Fazit
Damit Fehler zu Lernen und Veränderung führen können, ist es wichtig, die negativen Konsequenzen von Fehlverhalten abzumildern. Dies ist möglich durch fehlertolerante Systeme und eine fehlerfreundliche Arbeitsorganisation und durch eine Kultur im Unternehmen, die sicheres Verhalten fördert und zugleich Fehlverhalten als Chance für Veränderung sieht.