Was hat es mit der Gratifikation auf sich? Was ist das überhaupt und warum sollte sich jeder Arbeitgeber mit dem Thema beschäftigen? Mit welchen volkswirtschaftlichen Kosten sind sie verbunden? Und vor allem, wie kann man ihnen vorbeugen?
Gratifikationskrisen beschreiben einen Zustand des Ungleichgewichtes zwischen der von Arbeitnehmern erbrachten Leistung und der damit zusammenhängenden Entschädigung seitens des Arbeitsgebers („effort-reward imbalance“). Nach Johannes Siegrist, dem schweizer Medizinsoziologen und Hochschulprofessor, der das Modell beruflicher Gratifikationskrisen erstellt hatte, ist dabei jedoch keineswegs nur ein angemessenes Gehalt gemeint.
Welche Faktoren spielen bei der beruflichen Gratifikationskrise eine Rolle?
Bedeutsam sind einerseits extrinsische (also von außen kommende) und andererseits intrinsische (oder von innen kommende) Komponenten. Extrinsische Faktoren sind beispielsweise die Anforderungen und Verpflichtungen, denen die Mitarbeiter am Arbeitsplatz gerecht werden müssen, die ihre Verausgabung bestimmen. Damit in Gleichgewicht sollten die Bezahlung, die durch die Führungskraft vermittelte Anerkennung und Arbeitsplatzsicherheit, sowie den Mitarbeiter angebotenen Aufstiegschancen stehen. Ob die Belohnung im Verhältnis zur Verausgabung der Mitarbeiter steht, wird weiterhin von intrinsischen Faktoren beeinflusst, also von der möglicherweise vorhandenen Tendenz der Mitarbeit, sich übermäßig zu verausgaben sowie von dessen Erwartungen bezüglich der Belohnung.
Wann entsteht eine zu hohe Verausgabung?
Unzureichende Ruhepausen können zur psychischen Ermüdung führen. Besonders kritisch ist die Nichtnutzung von Erholungspausen, wenn Sie: Durch die Dauer oder das Tempo der Tätigkeit überfordert sind; Sie Arbeitsaufgaben erledigen müssen, ohne Spielraum bei Ihren Entscheidungen zu haben; Sie dauerhaft aufmerksam arbeiten müssen, weil spontane Ereignisse eine sofortige Reaktion erfordern könnten; Sie ständig mit neuen Aufgaben konfrontiert werden, die nicht Ihren Qualifikationen entsprechen… und das waren nur ein paar Beispiele der möglichen Ursachen. Welche Ursachen es noch gibt, können Sie übrigens im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen erfassen, um die Arbeitsbedingungen basierend auf die Ergebnisse gezielt optimieren zu können. Wie diese durchgeführt wird, können Sie sich in unserem YouTube-Video ansehen.
Extrem kritisch werden ungünstige Arbeitsbedingungen vor allem dann, wenn die Mitarbeiter zudem nicht auf die eigene Bedürfnisse achten, sich selbst zu hohe Ziele setzen, ständig versuchen, im Arbeits- und Privatleben allen gerecht zu werden und sich im Endeffekt selbst ausbeuten.
Wie wichtig ist das Geld?
Das Einkommen bestimmt den individuellen Lebensstandard und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Höhe des Einkommens wirkt sich auf die Gesundheit und die Lebenserwartung aus, d.h. je niedriger das Einkommen, desto häufiger ist die Gesundheit beeinträchtigt. Anhaltspunkte für die Erklärung der Differenzen in der Gesundheit und Lebenserwartung sind auf das Gesundheitsverhalten und die Inanspruchnahme des medizinischen Versorgungssystems sowie ungesunde Arbeitsbedingungen zurückzuführen. So ist es die einkommensschwache Gruppe, die häufiger von schlechten Arbeitsbedingungen, wie körperliche Schwerarbeit, monotone Arbeitsabläufe, Nacht- und Schichtarbeit, Arbeitsplatzunsicherheit und Umgang mit krankheitserregenden Stoffen, betroffen ist.
Wenn es nicht möglich ist, den Beschäftigten eine höhere finanzielle Entschädigung anzubieten, sollten Sie versuchen, diesen Anerkennung zu zeigen und berufliche Perspektiven zu ermöglichen. Anhand des Gratifikationskrisenmodells können Sie dadurch beitragen, dass Ihre Beschäftigten trotzdem zufrieden und motiviert bleiben und gleichzeitig die finanziellen Aspekte kompensieren.
Wie vermittle ich als Führungskraft Wertschätzung und Anerkennung?
Versuchen Sie regelmäßig, Ihren Beschäftigten eine Rückmeldung zur eigenen Arbeitsweise zu geben. Wenn diese eine sehr gute Leistung erbringen, ist es besonders wichtig, dafür ein Lob auszusprechen. Damit stellen Sie auch sicher, dass die Mitarbeiter genau wissen, was von ihnen erwartet wird, und fördern, dass die erwünschten Verhaltensweisen häufiger gezeigt werden.
Wenn hingegen ihre Arbeitsweise Optimierungsbedarf aufweist, versuchen Sie konstruktive Kritik auszuüben. Tragen Sie die Verbesserungsvorschläge sachlich und wertschätzend vor und versuchen Sie diese jederzeit zu unterstützen. So werden Sie die Arbeitsleistung der Beschäftigten und auch gleichzeitig Ihre Arbeitszufriedenheit und berufliche Weiterentwicklung fördern.
Welche Rolle spielen die Karrierechancen und die Arbeitsplatzsicherheit?
Über starre Hierarchien spricht man, wenn das Erreichen der nächsthöheren Hierarchiestufe mit Schwierigkeiten verbunden ist. Wird Ihnen die Möglichkeit nicht gegeben, aufgrund von Ihren Fähigkeiten und Qualifikationen beruflich aufzusteigen, kann dadurch Unzufriedenheit entstehen, sowie eine Verringerung der Arbeitsmotivation. Geben Sie den Beschäftigten die Möglichkeit, bei einer außerordentlichen Arbeitsleistung beruflich aufzusteigen, beziehungsweise mehr Verantwortung und komplexere Aufgaben zu übernehmen. Denn nur durch stetige Lern- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten sowie durch die Vermittlung von Anerkennung für die geleistete Arbeit kann die Motivation und das Engagement der Beschäftigten aufrechterhalten werden.
Zudem gibt eine geringe Angst vor einem potentiellen Arbeitsplatzverlust Sicherheit und Vertrauen und kann Stressempfinden reduzieren. Eine stark ausgeprägte Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes fördert hingegen häufig sicherheitswidrige Verhaltensweisen. Außerdem werden eher Mängel in der Arbeitsgestaltung und unangemessene Arbeitsbedingungen akzeptiert. Die Angst beeinflusst weiterhin die Häufigkeit psychischer Beschwerden in hohem Ausmaß und führt zu enormen jährlichen volkswirtschaftlichen Kosten.
Was können Sie als Arbeitgeber tun?
Bieten Sie Ihren Mitarbeitern unbefristete Arbeitsverträge an. Das erhöht die Motivation, sich für das Unternehmen zu engagieren. Wenn sie zusätzlich Fort- und Weiterbildungen anbieten erhöht das einerseits die Qualifikationen im Unternehmen und bindet andererseits die Mitarbeiter an Sie.
…Und was kosten uns die Gratifikationskrisen eigentlich?…
Zahlreiche internationale Studien bestätigen den Zusammenhang zwischen Gratifikationskrisen und Depressivität, arbeitsbezogene Ängste und psychosomatischen Beschwerden. Im Jahre 2008 hatten psychische Störungen Deutschland 29 Milliarden Euro durch die direkte Behandlung gekostet. Und das obwohl sich nur rund 25% der Betroffenen tatsächlich in Behandlung begeben, so wie eine wissenschaftliche Studie des Forschers Hans-Ulrich Wittchen aus dem Jahre 2011 gezeigt hat. Hinzu kommen jährlich etwa 4,9 Milliarden Euro durch Produktionsausfälle und über 8,5 Milliarden Euro durch den Ausfall an Bruttowertschöpfung hinzu. Und dabei wurden gar nicht die Kosten durch eine reduzierte Arbeitsmotivation, Konzentrations- und Leistungsfähigkeit berücksichtigt.
Enorme volkswirtschaftliche Kosten, oder doch lieber gesunde, leistungsstarke Mitarbeiter haben?
Wir glauben, wir haben Ihnen genügend gute Gründe genannt, um sich mit dem Thema in Ihrem Unternehmen zu beschäftigen. Wie Sie an die Sache am besten rangehen? Dazu beraten wir Sie gerne!