Warum Fehlzeiten kein guter Indikator für Fehlbelastung am Arbeitsplatz sind!
Schnupfen, Kopf- und Halsschmerzen – erste Anzeichen einer Grippe. Nicht schon wieder! Ich war doch erst krank. Ich darf nicht schon wieder fehlen. Mal gucken, welche Medikamente noch im Haus sind. Das wird schon gehen auf Arbeit. Morgen ist es sicher wieder besser, da lohnt es sich nicht zum Arzt zu gehen…
Kommen Ihnen diese Gedanken bekannt vor? Mit Sicherheit haben Sie sich auch schon mal schlecht gefühlt und haben es dann trotzdem irgendwie geschafft Ihren Arbeitstag hinter sich zu bringen. Hauptsache Sie haben keinen Tag verpasst und sich krankmelden müssen. Dies bezeichnet man allgemein als das Phänomen des Präsentismus, welches grundsätzlich als das Verhalten, trotz einer Erkrankung arbeiten zu gehen, definiert wird. Immerhin gaben im Jahr 2009 71% der Befragten an in den letzten 12 Monaten mindesten einmal krank zur Arbeit gekommen zu sein, jeder dritte ist dabei entgegen dem Rat des Arztes am Arbeitsplatz erschienen. Warum tun wir das? Was treibt uns dazu mit Krankheitssymptomen auf Arbeit zu gehen? Welche Folgen kann dies für Sie als auch für Ihr Unternehmen haben? Wie kann man diesem Phänomen mehr Beachtung schenken, um dem entgegen zu wirken? All diese Fragen müssen Teil eines Prozesses sein, der darauf abzielt, Ihre Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit langfristig zu erhalten.
Warum der ganze Stress?
Zur Arbeit quälen, dort mühsam die Aufgaben erledigen und sich am Abend noch schlechter fühlen als sowieso schon. Wozu das Ganze? Es gibt eine Reihe von Gründen, die sowohl persönlicher, arbeitsbedingter als auch gesellschaftlicher Herkunft sein können. Zu den individuellen Faktoren zählen sowohl Alter und Geschlecht als auch Lebensstil und Motivation. Frauen erscheinen bei Krankheit bspw. häufiger am Arbeitsplatz als Männer und mit zunehmendem Alter ist Präsentismus abnehmend. Ein weiterer gravierender Grund ist die Arbeitsplatzunsicherheit. Gerade, wenn Sie anfällig für Krankheiten sind und bereits einige Fehltage haben, überlegten Sie sich doch drei Mal, ob Sie abermals zu Hause bleiben. Man denkt, dass dieses Verhalten einen schlechten Eindruck auf die Vorgesetzten hat und dies ein Grund für eine Entlassung sein könnte. Insbesondere, wenn in Ihrem Unternehmen sowieso zurzeit Arbeitsplätze abgebaut werden müssen oder bereits jemand aufgrund von vermehrten Krankheitstagen aus Ihrer Abteilung gekündigt wurde, hegen Sie stärkere Gedanken an eine Entlassung. Von Ihrem Arbeitsplatz und der damit verbundenen Entlohnung hängt eine Menge ab. Miete und Rechnungen zahlen, Familie versorgen und mal in den Urlaub fahren können – wer bleibt da schon wegen ein bisschen Husten zu Hause? Sie verspüren eine gewisse Verpflichtung gegenüber dem Unternehmen. Entweder Ihre zu erledigende Arbeit bleibt liegen und Sie müssen Überstunden schieben oder die Aufgaben werden an Ihre Kollegen abgewälzt, was für diese Mehrarbeit bedeutet. Und schon plagt Sie das schlechte Gewissen und Sie gehen wieder zur Arbeit. Schauen Sie sich nur mal die Konsequenzen dieses Verhaltens an!
Was bedeutet das für Sie und Ihr Unternehmen?
Sie denken sicher, dass Ihre Entscheidung richtig ist, wenn Sie angeschlagen zur Arbeit gehen, jedoch sind die Folgen des Präsentismus nicht zu verachten. Gegenüber den Kosten des Absentismus, welcher die krankheitsbedingten Fehlzeiten meint, sind die Präsentismuskosten deutlich höher, was alle vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse aus In- und Ausland aufzeigen. In einer Studie der Unternehmensberatung „Booz & Company“ für die Felix-Burda-Stiftung aus dem Jahr 2009 wurden die verursachten Kosten erst deutlich. Die krankheitsbedingten Kosten belaufen sich demnach auf jährlich 1199€ je Mitarbeiter, wohingegen der Präsentismus bemerkenswerte Kosten in Höhe von 2399€ verursacht und damit doppelt so hoch ist. Hochgerechnet auf alle deutschen Unternehmen bedeutet dies Kosten über 129 Milliarden Euro – nur bedingt durch Absentismus und Präsentismus! Aber nicht nur auf den wirtschaftlichen Bereich hat dies gehörige Auswirkungen. Es gibt leider nur wenige wissenschaftliche Studien über die Folgen von Präsentismus. Jedoch ist nachgewiesen worden, dass Präsentismus vor allem Auswirkungen auf die zukünftige Gesundheit hat. Besonders das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung ist viel höher, was durch das Verschleppen von Erkrankungen verursacht wird. Die Folge ist, dass Sie zwar für den Moment nicht krankgeschrieben werden müssen, jedoch in Zukunft längere Fehlzeiten aufgrund von nicht auskurierten Krankheiten haben. Weiterhin ist die Ansteckungsgefahr für Ihre Kollegen extrem hoch, sodass es möglicherweise mehrere Ausfälle in Ihrer Abteilung gibt, was wiederum mehr Kosten nach sich zieht. Aus eigenen Erfahrungen wissen Sie sicher, dass Sie bei Krankheit nicht im Vollbesitz Ihrer Kräfte sind. Da Sie in Ihrer Arbeits- und Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind, entstehen Produktivitätsverluste.
Außerdem werden Sie mit der Zeit müde und unkonzentriert, wodurch das Fehlerrisiko steigt und auch Arbeitsunfälle zunehmen können. Sie sind also auch eine Gefahr für Ihre Mitarbeiter! Es muss aber nicht so weit kommen, wenn bestimmte Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen getroffen werden.
Wer kann was tun?
Präsentismus lässt sich nicht vollkommen vermeiden, jedoch kann man Strukturen und Arbeitsbedingungen so gestalten, dass sich die Zahl der Betroffenen verringert. Wir zeigen Ihnen drei Bereiche auf, in denen Verbesserungspotenziale stecken, um den Druck des unbedingten Arbeitens zu mindern.
Politik und Gesellschaft
„Unternehmen müssen daher viel stärker von der Politik gefördert werden, denn ihr Engagement zahlt sich für die gesamte Gesellschaft aus.“ Das fordert das Vorstandsmitglied der Felix-Burda-Stiftung Dr. Christa Maar. Wie aber kann die Politik konkret Beihilfe schaffen?
Kurz und knapp:
- Stärkung des Arbeitsmarktes
- klare politische Ziele betreffend der Gesundheitsvorsorge
- sinnvolle Anreize für Prävention in Unternehmen schaffen
- Aufklärung der Bedeutung von betrieblicher Gesundheitsvorsorge (Kosten/Nutzen-Verhältnis)
Wenn diese Punkte von politischer Seite hartnäckig verfolgt werden und wirkliches Interesse daran besteht Fortschritte bezüglich der Gesundheitsförderung in Unternehmen zu machen, wird es sich positiv auf die verursachten Kosten auswirken.
Beschäftigte
Was können Sie tun? Zunächst einmal natürlich auf Ihren Körper hören und Krankheitssymptome bewusst wahrnehmen. Bleiben Sie das nächste Mal zu Hause, wenn Sie sich wirklich schlecht fühlen und kurieren Sie die Erkrankung aus – Sie ziehen sonst keinen Nutzen daraus! Selbstverständlich müssen dann bestimmte Gegebenheiten geschaffen sein, wie z.B. die Arbeitsplatzsicherheit. Diese ist garantiert, wenn eine entsprechende Unternehmenskultur vorherrscht. Nehmen Sie auch Angebote der Gesundheitsförderung und Präventionsmaßnahmen wahr, denn diese verhelfen Ihnen zu mehr Energie und sensibilisieren Sie für das Thema Gesundheit!
Unternehmen
Das Unternehmen an sich ist vermutlich der bedeutsamste Faktor im ganzen Prozess. Es muss an vielen Punkten gearbeitet werden. Der Betrieb muss die Mitarbeitergesundheit als essentielle Voraussetzung für die Unternehmensziele ansehen. Außerdem ist es unbedingt notwendig eine betriebliche Gesundheitsförderung zu betreiben, denn die bringt Ihnen insbesondere drei Vorteile: die beste Präventionsmaßnahme eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur darstellt:
- Prävention von Volkskrankheiten
- weniger Absentismus/Präsentismus
- Wettbewerbsvorteil durch gesunde Mitarbeiter
Dabei ist es nicht besonders wichtig, dass die Anwesenheitsquote um jeden Preis steigt, sondern, dass generell an den betrieblichen Rahmenbedingungen gearbeitet wird und dass eine Sensibilisierung des Themas stattfindet.